![]() | ABOUT PUNCH & JUDYfrom the travel diaries (1826-29) of Hermann Prince of Pueckler-Muskau Translation by Peter Widenmayer Illustrations by Christopher van Der Craats |
Editor's Note: This report is obviously borrowed from Cruikshank and therefore cannot be considered to be independant evidence of Piccini's show. Nevertheless is interesting to read one German's view of the British - and also to note the deliberate exaggeration of the violence and the macabre. This is but a preliminary translation at this stage. C.C.S. |
Sechster Brief
London, den 25ten Nov. 1826 Geliebteste! Es ist mir zuweilen ein wahres Bedürfnis, einen Tag ganz allein zu Haus zuzubringen, und dann großenteils in einer Art von träumerischem Hinbrüten zu durchleben, wo ich so lange Vergangenes und Neues und alle Affekte durchlaufe, bis durch die Mischung so vieles Bunten eine Nebelfarbe sich über alles breitet, und die Dissonanzen des Lebens sich am Ende in eine sanfte, objektlose Rührung auflösen. Recht unterstützt wird man hier in solcher Stimmung durch die, mir sonst sehr unausstehlichen Drehorgeln, die Tag und Nacht in allen Straßen ertönen. Auch sie leiern im wilden Wirbel hundert Melodien untereinander, bis alle Musik sich in ein träumerisches Ohrenklingen verliert. |
Sixth letter
London, Nov 25th, 1826 My beloved! Sometimes I need a day at home, totally alone,
and to spend the day reflecting, dreaming, remembering, until the mixture of many separate colours merge to a single harmonious hue, the dissonances of life dissolve and serenity remains.
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Amüsanter ist dagegen ein anderes hiesiges
Straßenspiel, eine echte National-Komödie, die eine etwas genauere
Beleuchtung verdient, und mir auch heute von unter meinen Fenstern heitere
Zerstreuung heraufgeschickt hat.
Es ist dies ›Punch‹, der englische, ganz vom italienischen verschiedene Pulcinella, dessen getreue Abbildung ich hier beifüge, wie er eben seine Frau totschlägt, denn er ist der gottloseste Komiker, der mir noch vorgekommen ist, und so complet ohne Gewissen, wie das Holz, aus dem er gemacht ist, und ein wenig auch die Klasse der Nation, welche er repräsentiert. |
![]() This is the English puppet Punch, quite different from the Italian Pulcinella. I describe him truely when I say he beats his wife to death, for he is the most ungodly comedian that I have seen, and as totally unscrupulous as the wood he is made of, and not totally unlike the nation he represents. |
Punch hat, wie sein Namensvetter, auch etwas von Arrak Zitronen und Zucker in sich, stark, sauer und süß, und dabei von einem Charakter, der dem Rausche, welchen jener herbeiführt, ziemlich gleich ist. Er ist überdies der vollendetste Egoist, den die Erde trägt, et ne doute jamais de rien. Mit dieser unbezwingbaren Lustigkeit und Laune besiegt er auch alles, lacht der Gesetze, der Menschen, und selbst des Teufels, und zeigt in diesem Bilde zum Teil, was der Engländer ist, zum Teil, was er sein möchte, nämlich Eigennutz, Ausdauer, Mut, und wo es sein muß, rücksichtslose Entschlossenheit auf der vaterländischen Seite, unerschütterlichen leichten Sinn und stets fertigen Witz auf der ausländischen – aber erlaube, daß ich, sozusagen mit Punchs eignen Worten, ihn weiter schildere, und aus seiner Biographie noch einige fernere Nachrichten über ihn mitteile. | Punch has, like cousin Pulcinella, a character both Sweet and Sour, and lacking in inhibitions as one intoxicated on Arrack. Moreover he is the total egotist, et ne doute jamais de rien. And with this unquenchable gaiety and good humour he overcomes everything. He laughs at the Law, his adversaries and even the Devil, and in this image he shows partly what the English man is, and partly that to which he aspires, namely self-interest, perseverance, courage and (when occasion demands) of blind patriotism. There is also the stiff upper lip, the studied aloofness and the always-ready wit to be employed at the expense of foreigners. But let me allow Punch to speak for himself by my imparting some more facts about his biography. |
Als ein Nachkomme Pulcinellas aus Acerra ist
er für's erste unbezweifelt ein alter Edelmann, und Harlekin, Clown,
der deutsche Kasperle selbst u.s.w. gehören zu seiner nahen Vetterschaft,
er jedoch paßt, wegen seiner großen Kühnheit, am besten
zum Familien-Chef. Fromm ist er leider nicht, aber als guter Engländer
geht er doch ohne Zweifel Sonntags in die Kirche, wenn er auch gleich darauf
einen Priester totschlägt, der ihn zu sehr mit Bekehrungsversuchen
ennuyiert.
Es ist nicht zu leugnen, Punch ist ein wilder Kerl, keine sehr moralische personnage, und nicht umsonst von Holz. Niemand z. B. kann besser boxen, denn fremde Schläge fühlt er nicht, und seine eignen sind unwiderstehlich. Dabei ist er ein wahrer Türke in der geringen Achtung menschlichen Lebens, leidet keinen Widerspruch, und fürchtet selbst den Teufel nicht. Dagegen muß man aber auch in vieler andern Hinsicht seine großen Eigenschaften bewundern. Seine admirable Herzens-Unempfindlichkeit und schon gepriesene, stets gute Laune, sein heroischer Egoismus, seine nicht zu erschütternde Selbstzufriedenheit, sein nie versiegender Witz und die konsommierte Schlauheit, mit der er aus jedem mauvais pas sich zu ziehen, und zuletzt als Sieger über alle Antagonisten zu triumphieren weiß, werfen einen glänzenden lustre über alle die kleinen Freiheiten, die er sich im übrigen mit dem menschlichen Leben herauszunehmen pflegt. Man hat in ihm eine Verschmelzung von Richard III. und Falstaff nicht ganz mit Unrecht gefunden. In seiner Erscheinung vereinigt er auch die krummen Beine und den doppelten Höcker Richards mit der angehenden Beleibtheit Falstaffs, zu welcher noch die italienische lange Nase und die feuersprühenden schwarzen Augen sich gesellen. |
As a descendant of Pulcinella from Acerra he is of distinguished lineage. Harlequin and a long line of clowns, including the German Kasperle, are all his kin, but because of his great boldness
he is suited for the head of the family. Unfortunately, he is not pious,
although as a good Englishman he doubtless goes to church on Sundays, afterwards beating the priest to death because he is annoyed by the attempts to convert him.
No one can deny that Punch is a wild, ammoral personage, and not in vain he is made of wood. For example, nobody can box better than him, for he doesn’t feel the others' blows, but his own are irresistible. In all that he is a true Turk in the disdain of human life, he doesn’t put up with contradiction, and he doesn’t even fear the devil. On the other hand you have to admire his great qualities in many other respects. His admirable insensitiveness of heart and the already praised constant good mood, his heroic egoism, his incorrigible complacency, and his ready wit and the clever cunning with which he can extract himself from any mauvais pas and to triumph over all antagonists in the end. This all lends a shining lustre to all the little liberties he uses to take out of human life. Some have - not without some good reason - seen in his nature a fusion between those of Richard III and Falstaff. In his appearance also, he combines the crooked legs and the doubled hump of Richard with Falstaff’s beginning corpulence, joined by the Italian long nose and the fiery black eyes. |
Seine Behausung ist ein auf vier Stangen gestellter Kasten mit gehörigen innern Dekorationen, ein Theater, das in wenigen Sekunden am beliebigen Orte aufgeschlagen wird, und dessen über die Stangen herabgelassene Draperie Punchs Seele verbirgt, die seine Puppe handhabt, und ihr die nötigen Worte leiht. Dieses Schauspiel, in dem er täglich, wie gesagt, in der Straße auftritt, variiert daher auch nach dem jedesmaligen Talente dessen, der Punch dem Publikum verdolmetscht, doch ist der Verlauf desselben im wesentlichen sich gleich, und ohngefähr folgender: | He is housed in a box put on four poles with appropriate inner decorations; a theatre, that is set-up within seconds at any place you like. The drapery thrown over its poles hides Punch’s soul: the one who handles the puppet and lends him the necessary words. Therefore this drama, in which he appears – as I have said – in the street every day, varies according to the talent of the one who interprets Punch to the audience; although the drama's plot is always essentially the same. |
Sowie der Vorhang aufrollt, hört man hinter
der Szene Punch das französische Liedchen ›Marlborough s'en
va-t-en guerre‹ trällern, worauf er selbst tanzend und guter Dinge
erscheint, und in drolligen Versen die Zuschauer benachrichtigt, wes Geistes
Kind er sei. Er nennt sich einen muntern, lustigen Kerl, der gern Spaß
mache, aber nicht viel von andern verstehe, und wenn er ja sanft werde,
ihm dies nur vis-à-vis des schönen Geschlechts arriviere.
Sein Geld vertue er frank und frei, und seine Absicht sei überhaupt,
das ganze Leben hindurch zu lachen, und dabei so fett als möglich
zu werden. Mit den Mädchen sei er allerdings ein Versucher und Verführer,
auch, so lange er es habe, ein Freund der bonne chère, wenn
er nichts habe, aber auch bereit, von Baumrinde zu leben, und stürbe
er einmal – nun so sei's eben weiter nichts, als daß es aus sei,
und damit habe denn die Komödie von Punch ein Ende. (Dies letzte riecht
ohne Zweifel ein wenig nach Atheismus.)
Nach diesem Monolog ruft er in die Szene hinein nach Judy, seiner jungen Frau, welche aber nicht hören will, und statt ihrer endlich nur ihren Hund schickt. Punch streichelt und schmeichelt ihm, wird aber von dem bösen Köter in die Nase gebissen, und so lange daran festgehalten, bis nach einer lächerlichen Balgerei und verschiedenen starken Späßen des nicht allzu diskreten Punch, dieser endlich den Hund abwehrt, und derb abstraft. |
As soon as the curtain rolls up, you will hear Punch from behind the
scene trilling the French song
“Marlborough s’en va-t-en guerre”,
whereupon he himself appears dancing and cheerful and tells the audience
in funny verses, what sort of person he is. He calls himself a a chirpy,
funny bloke who likes to joke but who can’t take a joke from others, and
that if he acted gently at times, it only happened to him vis-à-vis
the fair sex. He spent his money freely, and actually his intention
was, to laugh through his whole life long and to grow as fat as possible. He was a ladies'man, a seducer, and a big spender until the money ran out. And when he had nothing, why, he was ready to live off the bark of the trees. And if he died some
day? So what? The comedy of Punch would simply end. (In this sentiment we note a scent of atheism.) After this monologue Punch calls for Judy, his young wife, but she doesn’t want to hear and in the end sends her dog instead of herself. Punch strokes him and flatters him, but he gets bitten in his nose by the bad cur which hangs on until - after a funny scuffle and some differently strong jokes by the not too discrete Punch - he manages to dislodge the dog at last and punishes him roughly. |
Der Hausfreund Scaramutz tritt noch während
diesem Lärmen mit einem großen Prügel ein, und setzt sogleich
Punch zur Rede, warum er Judy's Lieblingshund geschlagen, der nie jemanden
beiße? »Auch ich schlage nie einen Hund«, erwiderte Punch,
»aber«, fährt er fort, »was habt ihr selbst denn
da in der Hand, lieber Scaramutz?« – »O nichts, als eine Geige,
wollt ihr vielleicht ihren Ton probieren? Kommt nur einmal her, und vernehmt
das herrliche Instrument.« – »Danke, danke, lieber Scaramutz«,
erwidert Punch bescheiden, »ich unterscheide die Töne schon
vortrefflich von weitem.«
Scaramutz läßt sich jedoch nicht abweisen, und indem er, sich mit Gesang akkompagnierend, herumtanzt und seinen Prügel schwingt, gibt er, bei Punch vorbeikommend, diesem wie von ungefähr einen derben Schlag auf den Kopf. Punch tut als merke er gar nichts davon, fängt aber auch zu tanzen an, und, seinen Vorteil wahrnehmend, reißt er plötzlich Scaramutz den Stock aus der Hand, und gibt ihm gleich zum Anfang einen solchen Schlag damit, daß dem armen Scaramutz der Kopf vor die Füße rollt – denn wo Punch hinschlägt, da wächst kein Gras. »Ha ha«, ruft er lachend, »hast Du die Geige vernommen, mein guter Scaramutz, und was für einen schönen Ton sie hat! So lange du lebst, mein Junge, wirst du keinen schönern mehr vernehmen. – Aber wo bleibt denn meine Judy. Meine süße Judy, warum kommst denn du nicht?« |
During this noise, Scaramouch, the secret lover, comes in
with a big stick, and takes Punch to task, asking why he had beaten Judy’s favourite
dog who had never bitten anyone? “I would never beat a dog,” replies Punch,
and continues, “what do you have in your hand, dear Scaramouch?”
– “Oh, nothing but a violin, do you want to sample its tone? Come
here, and listen to this magnificent instrument.” – “Thank you, thank you,
dear Scaramouch,” replies Punch, “but I am good in distinguishing
between tones from afar!”
But Scaramouche won’t be dissuaded and while accompanying himself with a song, he dances around and unexpectedly when passing by Punch, he gives him a heavy blow on the head. Punch pretends not to have noticed it, but he also starts dancing and – taking his advantage – he suddenly snatches Scaramouch’s stick out of his hands, and deals him a blow, such that Scaramouch’s head rolls before his own feet. For where Punch strikes, no grass will grow any more! “Haha!” he shouts, laughing, “have you heard the violin, my good Scaramouch, and how fine a tone it has! As long as you live, my boy, you will never hear a finer one any more. – But where is my Judy? My sweet Judy, why don’t you come?” |
Unterdes hat Punch Scaramutz' Leiche hinter einem
Vorhang verborgen, und Judy, das weibliche Pendant ihres Mannes, mit ebensoviel
Buckeln und noch monströserer Nase tritt auf. Eine zärtlich komische
Szene erfolgt, nach der Punch nun auch nach seinem Kinde verlangt. Judy
geht es zu holen, und Punch ekstasiiert sich während dem in einem
zweiten Monolog über sein Glück als Ehemann und Vater. Sobald
das kleine Ungeheuer ankommt, können beide vor Freude sich kaum fassen,
und verschwenden die zärtlichsten Namen und Liebkosungen an dasselbe.
Judy geht jedoch häuslicher Geschäfte wegen, bald wieder ab,
und läßt den Säugling in des Vaters Armen, der, etwas ungeschickt,
die Amme nachahmen und mit dem Kinde spielen will; dies fängt aber
an jämmerlich zu schreien und sich sehr unartig zu gebärden.
Punch sucht es erst zu besänftigen, wird aber bald ungeduldig, schlägt
es, und da es nun nur immer ärger schreit, und ihm zuletzt gar etwas
in den Händen zurückläßt, wird er wütend, und
wirft es unter Verwünschungen zum Fenster hinaus, direkt auf die Straße,
wo es mitten unter den Zuschauern den Hals bricht. Punch biegt sich weit
über die Bühne hinaus, ihm nachzusehen, macht einige Grimassen,
schüttelt mit dem Kopf, fängt an zu lachen, und singt tanzend:
Eia popeia, mit dem Kindlein war's aus,
Indem kehrt Judy zurück und fragt bestürzt nach ihrem darling: »Das Kind ist schlafen gegangen«, erwidert Punch gelassen, doch nach fortgesetzter Inquisition muß er endlich gestehen, daß es ihm während dem Spielen mit ihm von ungefähr aus dem Fenster gefallen sei. Judy gerät außer sich, reißt sich die Haare aus, und überhäuft ihren grausamen Tyrannen mit den schrecklichsten Vorwürfen. Vergebens verspricht er ihr la pace di Marcolfa, sie will von nichts hören, sondern läuft unter heftigen Drohungen davon. Punch hält sich den Bauch vor Lachen, tanzt umher, und schlägt vor Übermut mit dem eignen Kopfe den Takt an den Wänden dazu, indem er singt: Welch' tolles Lärmen um nichts,
Unterdessen ist aber hinter ihm Judy schon mit einem Besenstiel angelangt, und arbeitet sogleich aus allen Kräften auf ihn los. |
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Now Judy comes back and asks, dismayed, after her darling: “The child
has gone to sleep” answers Punch calmly, but after a continuing inquisition
he has to confess, that he fell off accidently while playing. Judy loses
control of herself, tears her hair and heaps the most terrible reproaches
on her cruel tyrant of a husband. In vain he promises her la pace di Marcolfa,
but she won’t listen and runs away uttering dire threats.
Punch holds his belly laughing, dances around and in high spirits he beating time with his own head on the walls, singing: A fuss about nothing, a crazy storm,
But in the meantime Judy is already behind him with a broom handle and immediately gets to work on him as hard as she is able. |
Er gibt erst sehr gute Worte, verspricht nie
wieder ein Kind aus dem Fenster zu werfen, bittet, doch den ›Spaß‹
nicht so hoch aufzunehmen – als aber nichts fruchten will, verliert er
abermals die Geduld, und endet wie mit Scaramutz, indem er die arme Judy
tot schlägt. »Nun«, sagt er ganz freundlich, »unser
Streit ist aus, liebe Judy, bist du zufrieden, ich bin's auch. Na, so steh'
nur wieder auf, gute Judy. Ach verstell dich nicht, das ist nur so eine
von deinen Finten! Wie, Du willst nicht auf? Nun so pack Dich hinunter!«
– und damit fliegt sie ihrem Kinde nach auf die Straße.
Er sieht ihr nicht einmal nach, sondern, in sein gewöhnliches schallendes Gelächter ausbrechend, ruft er: »Ein Weib zu verlieren ist ein bonne fortune!« und singt dann: Wer möchte sich mit einem Weibe plagen,
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First he tries to placate her, promises never again to throw a
child out of a window, and asks her not to overeact to the “joke” – but when
all is in vain, he loses his temper again and ends up - as with Scaramouch
- beating poor Judy to death. “Now,” he says friendly, “our quarrel
is over, dear Judy; if you are satisfied, I am as well. Now, stand up again,
dear Judy. Ah, don’t put on an act, this is just one of your tricks! What,
you don’t want to get up? Well, then go down!” and with that like her child
she falls on the street.
He doesn’t even look after her, but – breaking out in his usual peals
of laughter – shouts: “To lose a wife is a bonne fortune!” and to
that he sings:
Who wants to toil away with a wife
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Im zweiten Akt sehen wir Punch in
einem Rendezvous mit seiner Maitresse Polly begriffen, der er nicht auf
die anständigste Weise die Cour macht, und dabei versichert,
daß sie nur alle seine Sorgen verscheuchen könne, und wenn er
auch sämtliche Weiber des weisen Salomos hätte, er sie ihr zuliebe
doch alle tot schlagen würde. Ein Hofmann und Freund seiner Polly
macht ihm darauf noch eine Visite, den er diesmal nicht umbringt, sondern
nur zum besten hat, sich dann langweilt, und erklärt, das schöne
Wetter zu einem Spazierritt benutzen zu wollen. Ein wilder Hengst wird
vorgeführt, mit dem er eine Zeitlang lächerlich umhercaracolliert,
zuletzt aber durch entsetzliches Bocken des unbezähmbaren Tieres abgeworfen
wird.
Er schreit um Hilfe, und sein glücklicherweise eben vorbeigehender Freund, der Doktor, läuft schnell herbei. Punch liegt da wie halb tot, und jammert entsetzlich. Der Doktor sucht ihn zu beruhigen, fühlt an seinen Puls und fragt: »Wo seid Ihr denn eigentlich beschädigt, hier?« – »Nein, tiefer.« – »An der Brust?« – »Nein, tiefer.« – »Ist Euer Bein gebrochen?« – »Nein, höher.« – »Wo denn?« In dem Augenblick gibt aber Punch dem armen Doktor einen schallenden Schlag auf eine gewisse Partie, springt lachend auf und singt tanzend: Hier ist der Fleck, wo ich verwundet,
Der wütende Doktor ist, ohne ein Wort weiter zu erwidern, weggelaufen, kommt gleich darauf mit seinem großen Stocke mit goldnem Knopfe wieder, und indem er ausruft: »Hier, lieber Punch, bringe ich Euch heilsame Medizin, wie sie für Euch allein paßt«, läßt er besagten Stock noch nachdrücklicher als Judy, wie einen Dreschflegel auf Punchs Schultern arbeiten. »O weh«, schreit dieser, »tausend Dank, ich bin ja schon gesund, ich vertrage überhaupt gar keine Medizin, sie gibt mir immer gleich Kopf- und Hüftenweh...« – »Ach, das ist nur, weil ihr noch eine zu geringe Dosis davon zu Euch genommen habt«, unterbricht ihn der Doktor, »nehmt immer noch eine kleine Gabe, und es wird Euch gewiß besser werden.« PUNCH: »Ja, so sprecht ihr Doktoren immer, aber versucht es doch einmal selbst.« DOKTOR: »Wir Doktoren nehmen nie unsere eigene Medizin. Doch Ihr braucht jedenfalls noch einige Dosen.« Punch scheint besiegt, fällt entkräftet hin, und bittet um Gnade; als sich aber der leichtgläubige Doktor zu ihm herabbeugt, stürzt ihm Punch mit Blitzesschnelle in die Arme, ringt mit ihm und entreißt ihm endlich den Stock, mit dem er dann wie gewöhnlich verfährt. »Jetzt«, ruft er, »werdet Ihr doch auch ein wenig von eurer schönen Medizin versuchen müssen, wertester Doktor, nur ein ganz klein wenig, geehrtester Freund. So... und so...« »O Gott, sie bringt mich um...« schreit der Doktor. »Nicht der Rede wert, es ist einmal so gebräuchlich. Doktoren sterben immer, wenn sie von ihrer eignen Medizin genießen. Nur lustig, hier, noch eine, und die letzte Pille.« Er stößt ihm den Stock mit der Spitze in den Magen. »Fühlt Ihr die Wirkung dieser wohltätigen Pille in Eurem Innern?« Der Doktor fällt tot hin. Punch lachend: »Nun, guter Freund, kuriert Euch selbst, wenn ihr könnt!« (Geht singend und tanzend ab.) |
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Where I am wounded, this is the spot!
Without another word, the angry Doctor leaves, but in no time he’s
back with a very big stick with a golden knob and while shouting: “Here,
dear Punch, I bring you some medicine that fits only you!” he bears down – even
more heavily than Judy did – with the stick on Punch’s shoulders like a threshing
flail.
“Oh dear!” Punch shouts, “thank you thousand times! I’m already
well again; I don’t tolerate any medicine at all, it always gives me head-
and hip-ache!” – “Oh, that is just because you still have had an underdose
of it!”, the doctor interrupts him, “better take one more little bit of
it, and you will soon feel better!”
PUNCH: “Yes, that is what you doctors always say! But try it yourself for a change!” DOCTOR: “We doctors never take our own medicine! But you surely need a few more doses of it!” Punch seems to be defeated, falls down exhausted and asks for mercy; but when the gullible doctor bends down to him, Punch falls upon him in a flash, wrestles with him, finally snatching the stick and employing it in his usual fashion. “Now,” he shouts, “at last you will have to try a bit of your nice medicine yourself anyway, my worthiest doctor, just a little bit, my honoured friend. So… and so…” “Oh good, it kills me…” cries the Doctor. “It is not worth mentioning, it’s just the usual way. Doctors always
die when they have from their own medicine. Oh, that’s fun, here, and one
more, and the last pill!” He plunges the stick with the point into his
stomach. “Do you feel the effect of this soothing pill inside you?”
The Doctor falls dead. Punch, laughing: “Now, good friend, cure yourself, if you can!” (Leaves singing and dancing) |
Nach mehreren Avanturen, die fast
alle einen solchen tragischen Ausgang nehmen, wird endlich die Gerechtigkeit
wach, und dem Punch ein CONSTABLE zugesendet, um ihn zu arretieren. Dieser
findet ihn, wie immer, in der besten Laune, und eben beschäftigt,
sich mit Hilfe einer großen Rindviehglocke, wie er sagt, ›Musik‹
zu machen (eigentlich ein sehr naives Geständnis der Musikkapazität
der Nation). Der Dialog ist kurz und bündig.
CONSTABLE: Mr. Punch, laßt einmal Musik und Singen ein wenig beiseite, denn ich komme Euch aus dem letzten Loche singen zu lassen.« PUNCH: »Wer Teufel, Kerl, seid Ihr?« CONSTABLE: »Kennt Ihr mich nicht?« PUNCH: »Nicht im geringsten, und fühle auch gar kein Bedürfnis, Euch kennenzulernen. CONSTABLE: »Oho, Ihr müßt aber. Ich bin der CONSTABLE.« PUNCH: »Und wer, mit Verlaub. hat zu Euch geschickt, um Euch holen zu lassen?« CONSTABLE: »Ich bin geschickt, um Euch holen zu lassen?« PUNCH: »Allons, ich brauche Euch ganz und gar nicht; ich kann meine Geschäfte allein verrichten, ich danke Euch vielmals, aber ich brauche keinen CONSTABLE.« CONSTABLE: »Ja, aber zufällig braucht der CONSTABLE Euch.« PUNCH: »Den Teufel auch, und für was denn, wenn ich bitten darf?« CONSTABLE: »O, bloß um Euch hängen zu lassen. – Ihr habt Scaramutz totgeschlagen, euer Weib und Kind, den Doktor...« PUNCH: »Was Henker geht Euch das an? Bleibt Ihr noch viel länger hier, so werde ich's mit Euch ebenso machen.« CONSTABLE: »Macht keine dummen Späße. Ihr habt Mord begangen, und hier ist der Verhaftsbefehl.« PUNCH: »Und ich habe auch einen Befehl für Euch, den ich Euch gleich notifizieren will. (Punch ergreift die bisher hinter sich gehaltene Glocke, und schlägt dem CONSTABLE damit dermaßen auf das occipitium, daß er wie seine Vorgänger leblos umsinkt, worauf Punch mit einer Kapriole davonspringt, indem man ihn noch hinter der Szene jodeln hört: Der Krug geht zu Wasser
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At last, following several adventures that almost all have a tragic outcome, Justice awakes, and a constable is sent to arrest Punch.
As always, he finds him in a good mood and just busy – as he says
– “at making music” with the help of a big cow bell (in fact, a very naïve
commentary on the musical capacity of the nation). The dialogue is short
and curt:
CONSTABLE: “Mr Punch, set aside music and singing for a while, because I have come to let you sing from the last hole [= prison].” PUNCH: “Devil! Who are you?” CONSTABLE: “Don’t you know me?” PUNCH: “Not at all! And I don’t feel like I want to get to know you!” CONSTABLE: “O-ho, but you must! I am the constable!” PUNCH: “And who, if I may ask, has sent for you?” CONSTABLE: “I am sent for you!”
PUNCH: “Allons, I don’t need you at all; I can manage my affairs by myself. I thank you very much, but I don’t want a constable!” CONSTABLE: “Yes, but just by chance, the constable wants you!” PUNCH: “Devil! And what for, if I may ask?”
CONSTABLE: “Oh, just to hang you. You have killed Scaramouch, your wife and your child and the doctor…” PUNCH: “What, hangman, has that got to do with you? If you stay longer, I’ll do the same with you!” CONSTABLE: “Don’t make silly jokes. You have been murdering, and here is the warrant for your arrest!” PUNCH: “And I have also a warrant for you, which I will be delivering immediately… (Punch takes the bell he has been holding behind his back up to now, and beats the constable's cranium so that he sinks down lifeless like his predecessors. On which, Punch jumps up with a capriole, and you can hear him trilling behind the scene: The jug is taken to the well
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Der Gerichtsbeamte, welcher nach dem Tode des
CONSTABLE gesendet wird, Punch zu verhaften, hat dasselbe Schicksal, wie
jener, bis endlich der Henker in eigner Person Punch aufpaßt, welcher
in seiner lustigen Unbefangenheit, ohne ihn zu sehen, selbst an ihn anrennt.
Zum erstenmal scheint er bei dieser rencontre betroffen, gibt sehr
klein zu, und schmeichelt Herrn Cetsch nach Kräften, nennt ihn seinen
alten Freund, und erkundigt sich auch sehr angelegentlich nach dem Befinden
seiner lieben Gemahlin, Mistriss Cetsch.
Der Henker aber macht ihm schnell begreiflich, daß jetzt alle Freundschaft ein Ende haben müsse, und hält ihm vor, welch' ein schlechter Mann er sei, so viel Menschen und selbst sein Weib und Kind getötet zu haben, »Was die letzteren betrifft, so waren sie mein Eigentum«, verteidigt sich Punch, »und jedem muß es überlassen bleiben, wie er dies am besten zu nutzen glaubt.« – »Und warum tötetet Ihr den armen Doktor, der Euch zu Hilfe kam?« – »Nur in Selbstverteidigung, wertester Herr Cetsch, denn er wollte mich auch umbringen.« – »Wieso?« – »Er offerierte mir von seiner Medizin.« Doch alle Ausflüchte helfen nichts. Drei bis vier Knechte springen hervor, und binden Punch, den Cetsch ins Gefängnis abführt. |
![]() For the first time he seems to be dismayed by this rencontre, he knuckles under and flatters Mr Ketch as good as he can, calls him his old friend, and also inquires concernedly about the health of his dear wife, Mrs Ketch. But the hangman makes him understand that all friendship has to come to an end now, and remonstrates with him about what a bad man he is to have killed so many people, even his wife and child. “As to the latter, they were my property!” Punch defends himself, “and it is up to everyone how he wants to use his own!” – “And why have you killed the poor Doctor who has come to help you?” – “Just in self-defence, dearest Mr Ketch, because he wanted to kill me, too!” – “Why?” – “He offered me some of his medicine!” But all excuses are in vain. Three or four helpers come running up and tie Punch up, who is brought to prison by Ketch. |
Wir sehen ihn im nächsten Auftritt im Hintergrunde
der Bühne aus einem eisernen Gitter den Kopf vorstrecken, und sich
die lange Nase an den Eisenstangen reiben. Er ist sehr entrüstet und
verdrießlich, singt sich aber doch nach seiner Manier ein Liedchen,
um die Zeit zu vertreiben. Mr. Cetsch tritt auf, und schlägt mit seinen
Gehilfen vor dem Gefängnisse einen Galgen auf. Punch wird kläglich,
fühlt aber statt der Reue, doch nur eine Anwandelung großer
Liebe und Sehnsucht nach seiner Polly; er ermannt sich indes bald wieder,
und macht sogar verschiedene bonmots
über den hübschen
Galgen, den er mit einem Baume vergleicht, den man wahrscheinlich zum bessern
Prospekt für ihn hierhergepflanzt habe. »Wie schön wird
er erst werden«, ruft er aus, »wenn er Blätter und Früchte
bekommt!« Einige Männer bringen jetzt einen Sarg, den sie an
den Fuß des Galgens hinstellen.
»Nun, was soll das vorstellen?« fragt Punch, »aha, das ist ohne Zweifel der Korb, um die Früchte hineinzutun.« Cetsch kehrt währenddem zurück, und indem er Punch grüßt und die Tür aufschließt, sagt er höflich es sei nun alles bereit, Punch könne kommen, wenn es ihm beliebe. Man kann denken, daß dieser nicht sehr empressiert ist, der Einladung zu folgen. Nach mehrerem Hin- und Herreden ruft Cetsch endlich ungeduldig: »Es hilft nun weiter nichts, Ihr müßt heraus und gehangen werden.« PUNCH: »Oh, Ihr werdet nicht so grausam sein?« CETSCH: »Warum wart Ihr so grausam, Weib und Kind umzubringen?« PUNCH: »Aber ist das ein Grund, daß Ihr auch grausam sein, und mich auch umbringen müßt?« Cetsch bedient sich keiner weitern Gründe, als der des Stärkeren, und zieht Punch bei den Haaren heraus, der um Gnade fleht, und Besserung verspricht. »Nun, lieber Punch« sagt Cetsch kaltblütig, »habt bloß die Güte, Euern Kopf in diese Schlinge zu stecken, und alles wird schnell zu Ende sein.« Punch stellt sich ungeschickt an, und kommt immer auf die unrechte Weise in die Schlinge. »Mein Gott, wie ungeschickt Ihr seid«, ruft Cetsch, »so müßt Ihr den Kopf hineinstecken« (es ihm vormachend). »So, und zuziehen«, schreit Punch, der den unvorsichtigen Henker schnell festhält, mit aller Gewalt zuschnürt, und mit großer Eile selbst am Galgen aufhängt, worauf er sich hinter die Mauer versteckt. Zwei Leute kommen, den Toten abzunehmen, legen ihn, in der Meinung, es sei der Delinquent, in den Sarg, und tragen ihn fort, während Punch ins Fäustchen lacht und lustig forttanzt. |
In the next scene we see Punch stick his head out of a barred window
in the background of the stage, rubbing his long nose on the iron
bars. He is very upset and grumpy, but in his usual manner he sings a song
to himself to while away the time.
Mr Ketch appears and with his helpers puts up the gallows in front of the prison. Punch gets miserable, but instead of feeling remorse he only feels great love and yearning for his Polly; but soon he recovers and even makes several bonmots about the fine gallows and he compares it with a tree they have probably planted there to give him a better view. “How pretty will it be,” he shouts, “when it has leaves and fruits!” Now some men bring a coffin and place it in front of the gallows. “Now, what is that?” Punch asks, “I see! Doubtless this is the crate meant to carry the fruit in!” In the meantime Ketch comes back, and while greeting Punch and opening the door he says politely that everything is ready now and Punch may come, if it pleases him. As you can imagine he is not in very much of a hurry to follow the invitation. After several arguments to and fro Ketch in the end shouts impatiently: “It doesn’t help any more, you must go out and you must be hanged!” PUNCH: “Oh, you won’t be so cruel, will you?” KETCH: “Were you not cruel to kill both wife and child?” PUNCH: “But is this a reason for you to be cruel as well for you to kill me, too?” Ketch doesn’t waste any other arguments on him and pulls out Punch – who begs for mercy and promises to mend his ways - by his hair. “Now, my dear Punch,” Ketch says cold-blooded, “would you be so kind as to put your head into this noose, and everything will be over soon.” Punch goes about it clumsily and always gets in the noose in a wrong way. “My God, how clumsy you are!” shouts Ketch, “you have to put in your head this way!” (shows him how to do it) “So, and now pull!” shouts Punch who quickly pulls the cord with all his power and hangs the incautious hangman on his own gallows and then hides behind the wall. ![]() Two men come to get the dead man down and thinking that they have the criminal they lay Ketch in the coffin and carry him away, while Punch laughs up his sleeve and dances cheerfully around. |
Doch der schwerste Kampf steht ihm noch bevor,
denn der Teufel selbst
in propria persona kommt nun, um ihn zu holen.
Vergebens macht ihm Punch die scharfsinnige Bemerkung: er sei doch ein
sehr dummer Teufel, seinen besten Freund auf Erden von dort wegholen zu
wollen; der Teufel nimmt keine raison an, und streckt seine langen Krallen
greulich nach ihm aus. Er scheint schon im Begriff, augenblicklich mit
ihm abzufahren, wie mit weiland Faust, aber Punch läßt sich
nicht so leicht verblüffen! Herzhaft ergreift er seinen mörderischen
Prügel und wehrt sich, selbst gegen den Teufel, seiner Haut. Ein fürchterlicher
Kampf beginnt, und – wer hätte es für möglich gehalten!
Punch, mehrmals seinem Ende nahe, bleibt endlich glücklich Sieger,
spießt den schwarzen Teufel auf seinen Stock, hält ihn hoch
in die Höhe, und mit ihm jauchzend herumwirbelnd, singt er herzlicher
lachend als je:
Vivat, Punch, aus ist die Not,
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![]() Vivat, Punch, o’er is the misery you had!
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Ich überlasse Dir alle philosophischen Betrachtungen,
deren sich nicht wenige an Punchs Lebenslauf anknüpfen lassen; interessant
möchte besonders die Untersuchung sein, wie dieses sich täglich
wiederholende, beliebte Volksschauspiel seit so vielen Jahren auf die Moralität
des gemeinen Mannes hier eingewirkt haben mag?
Zum Schluß skizziere ich am Rand für die tragische Gerechtigkeit noch ein zweites Portrait Punchs, wie er im Gefängnis sitzt, und der Galgen eben für ihn herbeigebracht wird. In meinem nächsten Briefe aber erhältst
Du alle verlangte Details über B..., welchen frommen Mann ich heute
über den interessanten Sünder Punch vergessen habe.
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All the many philosophical contemplations – to which Punch’s
biography gives rise to – I leave to you; most interesting might be an
investigation into what influence this daily repetition of this very famous folk
play over so many years might have had on the morality of the common man?
Finally, for the tragic justice I sketch a second portrait of Punch
on the margin, how he sits in prison and the gallows is just brought for
him.
In my next letter you will get all details you have asked for about
B…. ; this pious man I have forgotten today because of that interesting
sinner Punch.
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